tibet

Dauerausstellung

im Buddhistischen Zentrum
Kushi Ling in Arco

Nach Tibet reisen

Nach Tibet reisen bedeutet, einem Mythos zu begegnen. Das höchstgelegene Land der Erde, die weiten wüstenhaften Hochebenen, die höchsten Bergketten des Himalaya. Die wichtigsten Flüsse des asiatischen Raumes entspringen hier, der Brahmaputra, tibetisch Yarlung Tsangpo, der Yangtse und der Mekong; sie versorgen den Kontinent mit Wasser.

Die wechselvolle Geschichte der Tibeter, stets von ihren Nachbarn, den Chinesen, den Mandschuren und den Mongolen bedroht und überfallen, schließlich 1959 die Inbesitznahme und Beherrschung durch China, die Exilregierung, der Dalai Lama als moralische Autorität Tibets und der Welt, die weltweite Sympathie und die aufgrund der chinesischen Machtstellung zögerliche politische Solidarität mit dem Schicksal der Tibeter. Heute zeigt das Tibet-Museum in Lhasa eine Geschichtsversion, wonach das Land schon seit Jahrhunderten fester Bestandteil Chinas gewesen sei und die  staatliche Übernahme ein erfolgreiches Modernisierungsprojekt.

Tatsächlich ist die Geschichte Tibets facettenreich und der Zustand des Landes zu komplex, um durch staatlich kontrollierte Reisebewegungen im Land entschlüsselt zu werden. Es sind lediglich Eindrücke, die Reisende gewinnen können – und sie sind selektiv, finden sich dort kaum Menschen, die offen über ihre Lage Auskunft geben oder über ihre Befindlichkeiten sprechen.

Als Reisende jedoch spüre ich vor allem die tiefe Verankerung der Menschen in ihrem Glauben, die vielen Zeugnisse gelebter Spiritualität im Alltagsverhalten, in der Architektur und in der Kunst. Jeder Hügel, jeder Weg, jedes Haus, jeder See, jeder Fluss ist von Gebetsfahnen durchweht. Hier der Klang der Gebetsmühlen, dort das unablässige Gemurmel der Menschen: OM MANI PADME HUM, die Gebetskette Mala in der Hand. Der Jogkang in der Altstadt von Lhasa und der Parkhor voller Gläubiger, die das Heiligtum umrunden, manche ihre Gebetsmühle drehend, andere, die sich in voller Länge erfurchtsvoll zu Boden werfen.

Die tibetische Bevölkerung, so scheint es, hat sich eine Strategie der Anpassung zugelegt, durch Verschweigen, Ablenken, Ausweichen gegenüber Fremden – und damit sind Chinesen, Touristen und alle Ausländer gemeint – um dennoch das zu tun, was für sie wichtig ist: leben, arbeiten, glauben. Die Tiefe ihrer Seele bleibt für die Besucherin unzugänglich.